Kreislauf der Trennung

“Die zunehmenden Krankheiten und Krisen in unserer westlichen Kultur zeigen sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene, dass etwas nicht in Ordnung ist.“

Was sich auf einer individuellen Ebene als Burnout, Depressionen, Süchte, Herz-Kreislauf Erkrankungen, Stoffwechsel- und Autoimmunerkrankungen, chronische Entzündungen und Krebs ausdrückt, zeigt sich auf kollektiver Ebene als Klimakrise, Pandemie und Kriege. Je mehr wir in unserer westlichen Kultur unsere Verbindung verlieren, desto lauter wird der Ruf sie wieder zu reaktivieren. Aus einer indigenen Perspektive ist unsere eigene Heilung und die Heilung der Erde ein und derselbe Weg. Wenn wir verstehen wollen, wie wir wieder zurück nach Hause finden, braucht es, dass wir verstehen, an welcher Stelle wir vom Weg abgekommen sind, an welcher Stelle wir die Orientierung verloren haben und aus dem Gleichgewicht geraten sind. Um das zu verstehen, braucht es, dass wir Trauma verstehen. Mit Trauma sind die kleinen und großen Brüche in unserer Verbindung zu Menschen gemeint, von denen wir eigentlich Fürsorge erwarten. Das reicht von den Momenten, in denen wir von unseren Eltern, von denen unser Überleben als Kind abhängig war, nicht gehalten, verstanden, gesehen wurden und keine Resonanz erfahren haben, bis hin zu den Situationen, in denen wir offene Gewalt erfahren haben.

“Trauma ist die Trennung von unserem wahren Selbst, um unser Überleben zu sichern.”

Je früher wir diese Brüche in unserem Leben erfahren, desto tiefer reichen sie. Das, was wir heute Trauma nennen, ist aus einer indigenen Perspektive, die unausgedrückte Energie (z.B. Wut und Trauer), die in uns stecken bleibt, in diesen überwältigenden Momenten. Diese Energie bleibt in uns zurück und macht uns das Leben schwer und wird daher schwere Energie genannt. Und mit dieser schweren Energie entsteht gleichzeitig die Angst, wieder mit dieser schweren Energie in Kontakt zu kommen, oder erneut eine Situation zu erleben, in der wir so etwas erfahren müssen. Dort beginnen wir uns selbst zu schützen, eine Mauer hochzuziehen und die Verbindung zu verlieren. Dort beginnt, was wir heute Ego nennen. Trauma, also die schwere in uns feststeckende Energie, wirkt sich zutiefst destruktiv aus: auf unser eigenes Leben, auf Kulturen und damit auch auf die Erde. Die Gesundheit einer Kultur zeigt sich daran, wie gut es ihr gelingt, zum Einen Menschen vor Trauma zu bewahren und zum Anderen dennoch entstandene schwere Energien umgehend aufzulösen.

“Kulturen sind nur so gesund, so gut es ihnen gelingt, ihre Verbindung zu bewahren.”

Wenn wir das verstehen, entpuppt sich die heutige Fortschritts-Erzählung als eine Geschichte von einem zunehmenden Verlust von Verbindung, als ein Weg, der uns vom Leben wegführt statt zu ihm hin. Um das zu begreifen, ist es wichtig sowohl die individuelle als auch die kollektive Entwicklung zu betrachten. 

Kollektiv

1. Natürliche Verbundenheit

Kulturen verfügen über ein hochentwickeltes soziales und ökologisches Wissen, das durch direkte Erfahrung, Beziehung und Beobachtung der natürlichen Kreisläufe entsteht. Es ist ein lebendiges Wissen, weil es nicht theoretisch bleibt, sondern im Alltag verkörpert wird, ein Wissen, nach dem unsere heutige Suche nach Nachhaltigkeit im Grunde wieder strebt. Kinder und ihr natürlicher Ausdruck gelten als heilig, weil ihre Verbindung und Lebendigkeit noch vollkommen ist.

“Es gibt ein tiefes kulturelles Verständnis dafür, dass das, was ein Kind in den frühen Jahren erlebt, später die Art prägt, wie es als Erwachsener die Welt wahrnimmt und mit ihr in Beziehung geht.”

Die gesamte Kultur ist darauf ausgerichtet, diese Verbindung vom Beginn des Lebens an zu bewahren. Weil alles erst in unserem Geist entsteht, bevor wir es in die Welt bringen, werden die innere und die äußere Welt als zwei Seiten derselben Realität verstanden. Innere Arbeit hat daher den gleichen kulturellen Stellenwert wie materielle Arbeit. In Rituale werden kulturelle Räume geschaffen, in denen die entstandenen schweren Energien sich lösen können, bevor sie sich destruktiv auf die Kultur und die Erde auswirken. Kulturen gründen auf einer natürlichen Hierarchie der Verantwortung und Fürsorge. Das Leben wird innerlich wie äußerlich als zyklisch und kreisförmig erlebt. Krankheiten und Krisen gelten nicht als individuelles Versagen, sondern als Ausdruck eines kulturellen Ungleichgewichts. Mit dem Wissen über die destruktiven Auswirkungen von Trauma auf eine Kultur und die Erde werden Kriege und Gewalt gänzlich vermieden. Kulturen verstehen sich als Hüter der Erde, als Hüter des Lebens. Ihr Leitsatz lautet: Verbinde und Heile.

2. Trauma der Unterdrückung

Einige Kulturen vernachlässigen die innere Arbeit, schwere Energien zu lösen und Menschen vor Trauma zu bewahren. Dadurch geraten sie nach und nach in Unordnung.

“Das zentrale Bedürfnis von Menschen nach einer sicheren Bindung wird immer öfter verletzt.”

Mit der kollektiv zunehmenden schweren Energie geht der kulturelle Fokus darauf verloren, die eigene Verbindung zu bewahren. Religion (lat. re-ligare = rückverbindung), also die Arbeit der Rückverbindung, rückt aus dem Zentrum der Kultur, wird institutionalisiert und zunehmend als Machtinstrument eingesetzt, um eine neue Ordnung der Unterdrückung zu stabilisieren. Vater Sonne wird fortan zum “Herr” im Himmel, ein Titel, der eigentlich zuvor nur für weltliche Herrscher genutzt wurde. Mutter Erde verschwand gänzlich aus dem Bewusstsein und das väterliche Prinzip der Sonne wurde zu einer Hierarchie des Herrschens verzerrt. Was einst in Ritualen direkt erlebt und verkörpert wurde, wird zu starren Lehren, abgeschnitten vom Fluss der eigenen Erfahrung. Aus einem lebendigen, erfahrungsbasierten Wissen werden starre moralische Regeln und Dogmen, die Machtstrukturen sichern, indem sie Gehorsamkeit, Sünde und Unterordnung predigen. Aus einem zyklischen Denken wird ein lineares Denken, das Herrschaft, Kolonialismus und Fortschritt ermöglicht. Aus einer natürlichen Hierarchie der Verantwortung und Fürsorge wird eine erzwungene Hierarchie der Macht und Herrschaft.

3. Ego als Überlebensstrategie

Mehr und mehr Herrschaftskulturen entstehen, die nicht mehr auf der Kultivierung von Verbindung beruhen wie indigene Kulturen, sondern auf der Kultivierung von Trennung durch Unterdrückung und Ausbeutung. Ihr Leitsatz wird: Teile und Herrsche. Dort wo die innere Arbeit der Rückverbindung verloren geht, stauen sich immer mehr schwere Energien in einer Kultur an.

“Der zunehmende Verlust von Verbindung erzeugt einen immer größer werdende Sucht nach Ersatz: durch Macht, Konsum, Ablenkung und Beschleunigung.”

In der Folge dieses unstillbaren Mangels beginnen Herrschaftskulturen zunehmend andere Kulturen mit Gewalt zu unterwerfen und auszubeuten. Wie bei Kindern wird auch hier die ursprüngliche Lebendigkeit und tiefe Verbundenheit indigener Kulturen abgewertet und als „gottlos, wild und rückständig“ bezeichnet, um den eigenen Schmerz der Trennung nicht fühlen zu müssen und die Unterdrückung und Ausbeutung zu rechtfertigen. Dabei wird staatliche Bildung gegenüber Indigenen als Waffe eingesetzt, um sie gefügig und gehorsam zu machen. Die Schulpflicht wird zu den wichtigsten Werkzeugen, um die eigene kulturelle Dominanz zu sichern. Dieser Feldzug gegen die natürliche Lebendigkeit breitet sich wie ein Virus über die gesamte Erde aus. Das ist, was wir heute Kolonialismus nennen.

4. Trauma wird zur Normalität

Die weltweite Ausbreitung der westlichen Herrschaftskulturen war weniger das Ergebnis ihrer „Fortschrittlichkeit“, sondern ihrer Fähigkeit, organisierte und strukturelle Gewalt anzuwenden. Die Schulpflicht wird als Gegenmittel für Aufstände in der Bevölkerung eingeführt, die anfängt sich gegen die Unterdrückung aufzulehnen.

“Die Arbeit der Rückverbindung, die einst der Kern jeder Kultur war, ist weitgehend verblasst und wurde ersetzt durch den Glauben, dass Erlösung im Fortschritt liege, in einer kollektive Flucht nach vorne.”

Systeme verfestigen sich, die auf Angst beruhen und dadurch Konkurrenz, Gier und Spaltung weiter verstärken und somit nur einigen wenigen an der Spitze der Machthierarchie dienen. Die Verantwortung für die zunehmenden daraus resultierenden Krankheiten und Krisen wird auf das Individuum abgeschoben. Die aufkommenden Kolonisationskrankheiten wie Burnout, Depressionen, Süchte, Herz-Kreislauferkrankungen, Stoffwechsel- und Autoimnunerkrankungen, chronische Entzündungen und Krebs werden als individuelles Problem und Versagen betrachtet. Doch nicht nur Menschen werden krank durch die anhaltende Unterdrückung, auch die Erde wird krank durch systematische Unterdrückung. Die Klimakrise und das weltweite Artensterben bedrohen zunehmend das Leben auf der Erde. Und auch hier wird die Verantwortung auf das Individuum abgeschoben. Der Stolz, der unsere westliche Kultur davor schützt den Schmerz über den Verlust der eigenen Verbindung wirklich zu fühlen, verschließt ihr auch die Augen vor der Tatsache, dass ein Fortschritt, der auf Trennung gründet, immer eine Kehrseite hat. Jede Kultur findet Rechtfertigungen für ihre Destruktivität, für die ungelösten schweren Energien, die sie ausagiert. Die Kolonisatoren rechtfertigten ihre Ausbeutung einst mit dem Glauben an die „Überlegenheit der Rasse“. Heute wird an eine „Überlegenheit der westlichen Fortschrittskultur“ geglaubt. 

5. Abwärtsspirale der Unterdrückung

Wenn koloniale Gewalt lange genug wirkt, wird sie zum unsichtbaren Hintergrund, zur kulturellen Normalität. Die Systeme in der westlichen Kultur reproduzieren Trauma in Familie, Schule, Arbeit und Politik. Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt sind zunehmend mechanisiert und führen vermehrt zu Trauma bei Müttern und Kindern. Und dort, wo eine Kultur zur Unterdrückung neigt, nutzen Eltern als erste Vermittler einer Kultur das natürliche kindliche Bedürfnis nach Bindung aus, um Kinder so zu formen, dass sie später in die Kultur passen. Mit der Schulpflicht wird Bildung zu einem Werkzeug der Machtsicherung. Von nun an geht es nicht mehr um die Reifung der eigenen Persönlichkeit und Suche nach Erkenntnis, um dem Leben zu dienen, sondern um Gehorsam und Anpassung. Kinder werden früh gezwungen, Autoritäten zu folgen, statt ihrer inneren Stimme. Indem Wettbewerb, Druck und Leistung als Normalität etabliert werden, verstärkt die Schule die Spaltung in der Kultur. Es entstehen kaum noch kulturelle Räume, in denen Menschen sich sicher, gehalten und frei von Forderungen fühlen, Räume, in denen die Schutzmauern des Egos weich werden könnten, damit schwere Energien ausgedrückt und gelöst werden.

“Der technische Fortschritt verspricht mehr Bequemlichkeit und vergrößert gleichzeitig die Distanz zum Leben, bis hin zur Fantasie, ganz von der Erde zu flüchten.”

Wissenschaft wird immer unverbundener eingesetzt, Warnungen werden ignoriert und der technische Fortschritt immer weiter beschleunigt. Der koloniale Kreislauf aus Unterdrückung und Widerstand führt ständig zu neuer Gewalt und erzeugt immer wieder neue Trauma. Die kolonialen Machthierarchien führen dazu, dass nicht die innerlich reifsten und fürsorglichsten Menschen, sondern oft die traumatisiertesten und egoistischsten Menschen eine Kultur lenken. In wiederkehrenden Kriegen werden ganze Generationen im Namen von Expansion und Profit traumatisiert. Die ungelösten, schweren Energien der westlichen Kultur stauen sich immer weiter auf und entfalten eine immer destruktivere Wirkung, doch die Verantwortung wird oft abgeschoben, indem gesagt wird: „So ist der Mensch eben.“ Erst die Klimakrise sorgt dafür, dass wir deutlich hören, wie die Erde sagt: “So geht es nicht weiter.” Und genau dort beginnen wir nach Antworten zu suchen, die jenseits des Bekannten liegen. 

Individuell

1. Natürliche Verbundenheit

Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt werden als sensible Übergänge mit innerer Arbeit von Ältesten begleitet, sodass Kinder nicht mit der Schwere aus vorherigen Generationen belastet ins Leben kommen. In den ersten Lebensjahren bleiben sie im engen Körperkontakt mit ihren Müttern, wo ein tiefes Gefühl von Urvertrauen entstehen kann. Das natürliche Bedürfnis von Kindern nach einer sicheren Bindung zu ihren Eltern wird gestillt.

“Kinder finden einen starken mütterlichen und väterlichen Halt im Leben, der ihnen die Sicherheit gibt, ihren Platz in der Gemeinschaft zu finden, ohne ihre Verbindung zu verlieren.”

In Initiationen werden die dennoch verbliebenen schweren Energien aus der Beziehung zu Mama und Papa gelöst. Der Übergang ins innere Erwachsensein geschieht, indem Menschen sich an Mutter Erde und Vater Sonne übergeben. Damit entbinden sie ihre Eltern von der Verantwortung und treten bewusst in den größeren Lebenszusammenhang ein. Von diesem Moment an übernehmen sie selbst Verantwortung: für ihr eigenes Leben, für das Leben der Kultur und für das Leben auf der Erde. In einem Ritual begegnen sie der Angst vor dem Tod, damit sie nicht von dieser Angst unbewusst im Leben gelenkt werden.  So erleben Erwachsene die Welt als fühlende, aufgerichtete Wesen, in einer tiefen Verbindung mit ihrer Essenz, der Gemeinschaft und der Erde. Sie fühlen sich als wichtiger Teil der großen Familie des Lebens auf der Erde und sind bemüht, in allen Beziehungen ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen zu wahren.

2. Trauma der Unterdrückung

Schwere Energien werden nicht mehr vollständig gelöst und beginnen die Verbindung zur eigenen Essenz, zur Kultur und zur Erde zu blockieren. Dort, wo die eigene Verbindung verloren geht, wird Unterdrückung zur Überlebensstrategie. Dort entstehen Beziehungen, die von Unterdrückung (Selbstüberhöhung, Kontrolle) und Selbstunterdrückung (Anpassung, Unterwerfung) getrübt sind. Die eigenen schweren Energien werden dann erst wieder spürbar im Kontakt mit Menschen, die ihre Verbindung nicht unterdrücken, wie bei kleinen Kindern. Diese natürliche echte Nähe, die bei Kindern spürbar wird, beginnt abgewertet zu werden: „Zu viel Nähe verwöhnt das Kind“, „Schreien lassen stärkt die Lunge.“ Die natürliche Wut und Wahrheit von Kindern wird immer weniger respektiert: „Kinder haben zu gehorchen.“, „Man muss den Willen brechen.”

“Kinder lernen: Verbunden zu bleiben bedeutet Unterdrückung.“

Vor allem in den Familien der frühen Herrschaftsklassen wird das Bedürfnis nach einer sicheren Bindung zunehmend missbraucht um Kinder nach dem eigenen Willen zu formen. Das Bedürfnis nach engem Körperkontakt mit ihren Müttern und danach gestillt zu werden, wird immer öfter verwehrt oder an Ammen übertragen.  

3. Ego als Überlebensstrategie

Eltern begleiten Kinder nicht mehr ins Leben sondern erziehen sie aus der Perspektive ihrer eigenen traumatischen Erfahrungen, damit sie in eine bereits traumatisierte Kultur passen. Überall dort wo die natürliche sichere Bindung zu den eigenen Eltern nicht möglich ist verlieren Kinder den grundlegenden mütterlichen und väterlichen Halt im Leben und damit auch ihren inneren Halt. Sie unterdrücken ihre Verbindung und beginnen die Last der Eltern und vorherigen Generationen zu tragen. Dort wo die Bindung nicht sicher war entscheidet nicht mehr die Liebe sondern die Angst, ein Ego das versucht uns zu schützen.

“Es entstehen erzwungene Formen von Beziehung: Menschen fühlen sich nur noch dort sicher, wo sie entweder in die Selbstüberhöhung gehen, indem sie bewerten, kontrollieren und unterdrücken, oder wo sie in die Selbstunterdrückung gehen und sich anpassen, getrieben von Schuld, Scham und Angst, die Verbindung zu verlieren.”

Getrennt von ihrem Fühlen, ihrem Körper und ihrer Wahrheit flüchten Menschen sich ins Funktionieren, in das Ausfüllen von erzwungenen Rollen in denen sie Sicherheit finden. Dort, wo die natürliche Sehnsucht nach echter Verbindung unerfüllt bleibt, entsteht Sucht nach Leistung, Anerkennung und Betäubung. Eine vergebliche Suche nach einem Halt, der in Bindung nicht gefunden werden konnte. 

4. Trauma wird zur Normalität

“Seit die Macht der missbrauchten Religionen gebrochen wurde, fühlen sich viele Menschen nicht mehr als Teil einer größeren, lebendigen Ordnung, sondern als Teil einer Leistungsgesellschaft, die dem Fortschritt dient statt dem Leben.”

Damit geht auch das Erleben der eigenen Sinnhaftigkeit immer weiter in einem Wechsel aus Leisten und Konsumieren verloren. Abgetrennt von der eigenen inneren Wahrheit beginnt eine Suche nach Anerkennung und Bestätigung in den Rollen eines künstlichen Systems. Menschen vertrauen nur der Oberfläche des Lebens, nur noch dem, was sichtbar und messbar ist. Ihre Fähigkeit geht verloren, die wahre Absicht hinter einem Verhalten zu fühlen und werden dadurch leichter manipulierbar. Es entstehen vermehrt Beziehungen, die nicht auf natürlicher Verbindung beruhen, sondern unbewusst auf kolonialen Strukturen von Abhängigkeit durch Selbstüberhöhung und Selbstunterdrückung, im Privaten wie im Beruflichen. Statt die Ursache in den kolonialen Strukturen der Gesellschaft zu sehen, wird die Ursache des Problems als “Selbstwertproblem” dem Individuum zugeschoben. Durch das ständige Wechseln von Orten, Jobs und Rollen verlieren Menschen die Verbindung zum Land und zur Erde. Diese Entwurzelung hinterlässt ein Gefühl von Haltlosigkeit, als würde man abgetrennt durch die Welt treiben. Gleichzeitig verfestigt sich das Narrativ, der Mensch sei im Kern „schlecht“ und ein Parasit, ein Narrativ, das eine tiefe Entfremdung widerspiegelt.

5. Abwärtsspirale der Unterdrückung

Nirgendwo ist es schwerer, ein gesundes Leben zu führen, als in einer kranken Kultur. Menschen fühlen sich persönlich schuldig für die Klimakrise und erleben Krankheit als eigenes Versagen. Dort wo die Verbindung blockiert ist, wo der innere Halt fehlt, wird immer mehr durch Beschleunigung, Konsum und Leistung kompensiert. Wo die Wurzeln zu Familie und Land brüchig geworden sind, entsteht eine starke Identifikation mit Rollen und Erwartungen. Je größer die aufgestaute Schwere im eigenen Leben, desto stärker ist der innere Drang nach einem „besseren“ Leben. Der Wunsch, in Leichtigkeit zu leben, wird mit einem Streben nach Bequemlichkeit verwechselt. Haltlosigkeit und fehlende Sicherheit erschweren zunehmend ein echtes Erwachsenwerden und die Übernahme von wirklicher Verantwortung, statt nur im System zu funktionieren. Das Leben beginnt -  von Angst gelenkt - sich um ein Streben nach Geld zu drehen, das mit innerer Sicherheit verwechselt wird. Es entsteht eine Abtrennung vom Körper und ein Leben im Verstand: der Versuch, schwere Energien und alte Verletzungen rational zu lösen. Der tiefen Weisheit, die aus der eigenen Erfahrung entsteht, wird immer öfter misstraut. Konkurrenz zersetzt Verbundenheit und das Mitgefühl für sich selbst und andere geht verloren.Die erlebte Unterdrückung der Kindheit bei Eltern und in der Schule verwandelt sich unbewusst in Selbstunterdrückung und Selbstüberhöhung. Paarbeziehungen verlieren an Tiefe und Lebendigkeit und beruhen mehr und mehr auf dem Ego. Sie werden als toxisch und belastend erlebt, wenn die ungeheilten Wunden aus der Verbindung zu Mama und Papa berührt werden. Abgetrennt und individuell zu leben wird zur Normalität. Menschen erleben das Leben als täglichen Kampf, sind müde und zu beschäftigt und abgelenkt, um die größeren Zusammenhänge zu erkennen.

“Das Leben fühlt sich zunehmend schwer und leer an, wie ein goldener Käfig: Äußerlich scheint alles da zu sein, und doch fehlt etwas Existenzielles.”

Ungelöste schwere Energien aus der Vergangenheit, die sich als Ängste und Trigger ausdrücken, lenken unbewusst das eigene Leben und viele schützen sich lange vor der Verantwortung und sagen: „So bin ich eben.“ Oft braucht es eine Krise oder Krankheit, damit wir deutlich hören, wie das Leben sagt: “Hier geht es nicht weiter.” Und genau dort beginnen wir, Verantwortung zu übernehmen, der erste Schritt auf dem Weg der Rückverbindung.

Der Weg der Rückverbindung

Wir tragen keine Schuld, wir sind in eine Kultur hineingeboren worden, die zutiefst in Unordnung geraten ist. Doch wir haben die Möglichkeit, als erste wieder Verantwortung zu übernehmen für die schweren Energien, die wir aus dieser Kultur und unserer Familienlinie weitergegeben bekommen haben. Wenn wir uns dazu entscheiden, können wir den Lauf der Geschichte in unserer Familienlinie entscheidend verändern.

“Wir haben die Möglichkeit, den kolonialen Kreislauf der Trennung aus aufgestauten schweren Energien zu beenden und zur ersten Generation werden, die wieder ein Leben in Leichtigkeit und Verbindung führt.”

Das ursprüngliche Wissen der Rückverbindung, das überlebende indigene Kulturen bis heute bewahrt haben, kann für uns zu einer gesunden Orientierung werden auf diesem Weg. Denn dieses Wissen orientiert sich nicht an künstlichen von Menschen erdachten Prinzipien sondern immer an der Natur und damit an den natürlichen Lebensprinzipien. Aus einer indigenen Perspektive haben wir heute, gerade weil wir unsere eigenen Traditionen und Überlieferungen vergessen haben, die Möglichkeit, uns direkt mit seiner Essenz zu verbinden, ohne uns in kulturellen Gewohnheiten und Verhärtungen zu verlieren.

“Die Heilung der Erde beginnt dort, wo die Abtrennung begonnen hat, in unseren Familien, dort wo die Liebe blockiert ist.”

Drei Frauen in traditionellen weißen Kleidern stehen in einem Dorf mit strohgedeckten Hütten, mit Bergen im Hintergrund und Sonne am Himmel.
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